Auf der Basis des zuvor skizzierten ARIS-Konzeptes wird nun ein FDM-Referenzprozess modelliert, der die Ausgangsbasis für die Modellierung einer Informationsarchitektur bildet, die den Forschenden ein effektives und effizientes FDM innerhalb des Forschungsprozesses ermöglicht. Dabei erfolgt die Modellierung eines idealtypischen FDM-Prozesses anhand der üblichen Phasen des Forschungsprozesses und der verschiedenen Sichten des ARIS-Konzepts. Die Entwicklung des Referenzprozesses macht es notwendig, die Anwendung von ARIS auf ein höheres Abstraktionsniveau zu heben, um die größtmögliche Passung für alle Forschungseinrichtungen zu erreichen. Auf diese Weise gelingt es, einen FDM-Referenzprozess zu entwickeln, der den diversen Rahmenbedingungen an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen entsprechend angepasst werden kann. An den entsprechenden Stellen in den nachfolgenden Ausführungen wird auf die Abweichungen vom ARIS-Konzept hingewiesen.
1. Funktionssicht des FDM-Referenzprozesses
Die Funktionssicht des idealtypischen FDM-Prozesses dient dazu, den Gegenstandsbereich des Prozesses näher zu beschreiben. Demnach werden bei dieser perspektivischen Betrachtung des FDM-Prozesses diejenigen Funktionen / Aktivitäten / Prozesse beschrieben, welche effizient und hierarchisch von einer Forschungseinrichtung ausgeführt werden müssen, um die wissenschaftspolitisch geforderten Ziele einer verbesserten Forschungsintegrität und ‑ökonomie im Forschungsprozess zu erreichen. Dabei ergeben sich die Funktionen aus den Phasen des Forschungsprozesses, die sich wiederum in Teilaktivitäten / ‑prozesse untergliedern. Es entsteht eine sogenannte Prozesslandschaft, die die einzelnen Prozesse in hierarchische Beziehungen zueinander setzt. So ist die Aktivität „Forschung“ auf der ersten Ebene anzusiedeln, die Phasen des Forschungsprozesses auf der zweiten, und die zugehörigen Teilprozesse, die in der jeweiligen Forschungsphase durchzuführen sind, bilden die dritte und vierte Ebene der FDM-Prozesslandschaft im FDM-Referenzprozess ab. In Abb. 3 FDM-Prozesslandschaft sind die ersten drei Ebenen abgebildet. Die dritte und vierte Ebene der Teilprozesse Datenerhebung, ‑analyse und ‑auswertung sowie Publikation und Archivierung finden sich in Abb. 5 und Abb. 6 . Nachfolgend werden entlang der Phasen des Forschungsprozesses (Ebene 2) die für ein optimiertes FDM relevanten Teilprozesse (Ebene 3 und 4) dargestellt.
a) Planung: Konzeptualisierungsphase eines Forschungsvorhabens
Der FDM-Prozess startet idealerweise mit der Konzeptualisierungs– / Planungsphase eines Forschungsvorhabens. Für die FDM-Planung eines Forschungsprojektes ist bei der Methodenauswahl die Operationalisierung des Forschungsprozesses 1)Operationalisierung meint, dass beim Einsatz digitaler Infrastrukturen zur Umsetzung eines methodischen Verfahrens die Analyseschritte in logisch aufeinanderfolgende Arbeitsschritte zerlegt werden müssen, um sie im Prinzip maschinenlesbar zu machen. Vgl. Lemaire 2018: 242–244. zu berücksichtigen. Die Methodenauswahl und die Fragestellung haben Einfluss auf die Eruierung der rechtlichen Rahmenbedingungen sowie die zu berücksichtigenden FDM-Leitlinien und schlussendlich auf die notwendigen Personal- und Sachressourcen. Des Weiteren haben die genannten Prozesse auch Auswirkungen auf den Prozess der Auswahl des Förderrahmens. Die hier genannten Teilprozesse laufen zeitweise parallel ab und können auch Einfluss aufeinander nehmen.
Bei der Entwicklung eines neuen Forschungskonzeptes bestehen die primären FDM-Funktionen2)Bei Schwickert / Müller / Bodenbender u. a. 2011: 17 wird in „Primäre Aktivitäten“ und „Sekundäre Aktivitäten“ unterteilt, wobei die primären „der eigentlichen Herstellung von Produkten“ dienen und sekundäre „eine unterstützende Funktion zur Leistungserstellung“ haben. Eine ähnliche Aufteilung nimmt auch Porter 2014: 67 & Abb. 2–2 vor. in der Methodenauswahl sowie der Auswahl und Festlegung eines adäquaten Förderrahmens. Bei der Operationalisierung der Forschungsfrage geht es darum, Datenverarbeitungsprozesse mit dem Ziel zu entwickeln, dass theoretische Konzepte und Hypothesen durch die Festlegung beobachtbarer Ergebnisse messbar sind. Die Auswahl und Festlegung eines adäquaten Förderrahmens ist hingegen bedeutsam für eine effektive und effiziente Durchführung des Forschungsvorhabens. Denn nur, wenn ausreichend Gelder für Personal und relevante Sachmittel zur Verfügung stehen, kann ein Forschungsvorhaben erfolgreich umgesetzt werden. Gleichzeitig werden innerhalb des Förderrahmens Strategien entwickelt, wie die Anforderungen relevanter FDM-Leitlinien erfüllt werden können, und es wird die Frage geklärt, welchen ethischen und rechtlichen Rahmenbedingungen das Forschungsprojekt unterliegt. Die Ausführung dieser zwei primären Prozesse ist ein essenzieller Bestandteil eines digitalen Forschungskonzeptes. Deshalb müssen diese FDM-Funktionen durch eine Forschungseinrichtung gewährleistet sein, um einen Wettbewerbsvorsprung erzielen beziehungsweise halten zu können.
a) Datenerhebung, ‑analyse und ‑auswertung
Im Anschluss an die Phase der Konzeptualisierung eines Forschungsprojektes folgen die Phasen der Datenerhebung sowie der ‑analyse und ‑auswertung. Weil die durchzuführenden Aktivitäten in der Datenerhebung, ‑analyse und ‑auswertung sehr ähnlich bzw. gleich sind, sind sie für den FDM-Referenzprozess in einer Phase zusammengeführt worden.
Die in der Prozesslandschaft dargestellten Teilprozesse der Ebenen drei und vier sind aus der Data-Literacy-Definition von Ridsdale u. a. übernommen worden. Ridsdale u. a. verstehen Data Literacy als Fähigkeit, Daten kritisch zu sammeln, zu verwalten, zu evaluieren und anzuwenden.3)„Data literacy is the ability to collect, manage, evaluate, and apply data, in a critical manner.“ Ridsdale / Rothwell / Smit u. a. 2015: 3. Diese vier Teilprozesse sind die Kernprozesse der Forschungsarbeit in der Phase der Datenerhebung, ‑analyse und ‑auswertung. Sie werden von Ridsdale u. a. durch konzeptionelle Kompetenzen, Kernkompetenzen und fortgeschrittene Kompetenzen beschrieben, die sich zusammensetzen aus Fähigkeiten, Kenntnissen und zu erwartenden Aufgaben.4) Vgl. Ridsdale / Rothwell u. a. 2015: 3. Die dort beschriebenen Aktivitäten bilden die Prozesslandschaft dieser Phase sehr gut ab. Die deutsche Übersetzung des Texts von Ridsdale u. a. ist von Heidrich u. a. in der Publikation „Strukturen und Kollaborationsformen zur Vermittlung von Data-Literacy-Kompetenzen“5) Heidrich / Bauer / Krupka 2018. vorgenommen worden. Aus dieser Publikation wurden die Begrifflichkeiten für den FDM-Referenzprozess übernommen.
Die dritte Ebene dieser Phase unterteilt sich in die Teilprozesse Datensammlung, Datenmanagement, Datenevaluation und Datenanwendung. Auch hier kann keine klare Hierarchie festgelegt werden, weil sich die Teilprozesse gegenseitig beeinflussen. Deshalb soll der nachfolgenden Reihenfolge der Nennung keine Relevanz beigemessen werden: Zum Prozess der Datensammlung gehört, bereits bestehende Datensammlungen ausfindig zu machen und die für das Forschungsvorhaben geeigneten auszuwählen. Dabei ist es besonders wichtig, die Qualität der bereitgestellten Daten zu evaluieren und die Quellen kritisch zu bewerten.6) Vgl. Heidrich / Bauer / Krupka 2018: 15. Der Teilprozess Datenmanagement setzt sich aus sechs Aktivitäten zusammen: Datenorganisation, Datenmanipulation für die Bereinigung, Datenkonvertierung für Formatmigrationen, Metadatenerzeugung und ‑verwendung zur Beschreibung der Datensätze, Datenheilung, ‑sicherheit und ‑wiederverwendung sowie Datenaufbewahrung.7)Vgl. Heidrich / Bauer / Krupka 2018: 16. Die Datenevaluation umfasst die Nutzung von Datenwerkzeugen, die Durchführung von Datenanalysen und ‑interpretation, die Nutzung von Daten zur Identifizierung von Problemen, die Datenvisualisierung und ‑präsentation sowie die datengetriebene Entscheidungsfindung.8)Vgl. Heidrich / Bauer / Krupka 2018: 16–17.
Im Teilprozess Datenanwendung geht es grundsätzlich um den kritischen Umgang mit Daten, die Berücksichtigung ethischer und rechtlicher Aspekte im Umgang mit Daten (hierzu zählt auch die Zitation nachgenutzter Daten), die Bereitstellung von Daten zur Nachnutzung sowie die Beurteilung von Entscheidungen, die auf Grundlage einer Datenbasis erfolgt sind.9)Vgl. Heidrich / Bauer / Krupka 2018: 17.
Weil es sich bei dieser Phase um das Kerngeschäft der Forschung handelt, werden diese Prozesse als primäre Aktivitäten definiert. Diese Prozesse werden als so fundamental eingestuft, dass sie zwingend von der Forschungseinrichtung selbst geleistet werden müssen, um die Integrität der Forschungsleistung zu gewährleisten. Auch wenn selbstverständlich die Verantwortung für das FDM bei den Forschenden liegt, so muss jede Forschungseinrichtung für adäquate Unterstützungsangebote sorgen.
a) Publikation und Archivierung
In den letzten beiden Phasen des Forschungsprozesses, nämlich der Publikations- und der Archivierungsphase, werden die Forschungsergebnisse veröffentlicht sowie die Forschungsdaten archiviert und gegebenenfalls zur Nachnutzung bereitgestellt.10)Siehe Abb. 5 & Abb. 6.
Die primären FDM-bezogenen Funktionen bestehen in der Auswahl von Publikationsorganen und eines geeigneten Datenarchivs für die Archivierung oder Bereitstellung der Forschungsdaten. Hierfür müssen die Nutzungs- und Vertragsbedingungen der Betreibereinrichtung geprüft und gegebenenfalls finanzielle Mittel bereitgestellt werden. Je nach Vertragsbedingungen für die Publikation der Forschungsergebnisse kann es sein, dass ein bestimmtes Datenarchiv vorgeschrieben wird bzw. die Bereitstellung der zugrundeliegenden Forschungsdaten gefordert ist. Im nächsten Schritt müssen die Daten für die Übergabe an das Publikationsorgan / Datenarchiv vorbereitet werden. Zum einen müssen die Daten selbst gegebenenfalls in das Zielformat überführt und zum anderen die Metadaten zur Publikation / zum Datensatz erzeugt werden. Am Ende der beiden Prozesse steht jeweils die Datenübergabe und gegebenenfalls ein Vertragsabschluss.
Da die übliche ARIS-Darstellung bei der Prozesslandschaft von einer strikten Hierarchie ausgeht, dies jedoch mit dem FDM-Prozess nicht strikt vereinbar ist – wie in den vorherigen Abschnitten ausgeführt — zeigt die nachfolgende Abbildung 7–9 11)Da in der online-Publikation die Darstellung größerer Abbildungen sind begrenzt sind, werden hier die Abbildungen 7–9 aus der Publikation in einer dargestellt die parallel ablaufenden und sich wechselseitig beeinflussenden Teilprozesse in ihren jeweiligen Forschungsphasen.
2. Organisationssicht des FDM-Referenzprozesses
Die Organisationssicht beschreibt die Aufbauorganisation einer Einrichtung und wird in Form eines Organigramms dargestellt. Sie liefert eine dezidierte Übersicht über Organisationseinheiten sowie ihrer Beziehungen und Strukturen zueinander. Somit liefert die Organisationssicht einen genauen Überblick über die „Kommunikations- und Weisungsbeziehungen“12)Scheer 1998: 52.
zwischen den verschiedenen am FDM-Prozess beteiligten Organisationseinheiten, denn eine Organisationseinheit oder eine Stelle in einer Organisationseinheit ist der Träger einer Funktion. D. h., dass es nach ARIS immer genau eine verantwortliche Stelle zur Erfüllung einer Funktion gibt. Die Organisationssicht beschreibt aber nicht nur die Strukturierung menschlicher, sondern auch sachlicher Ressourcen. Somit können auch maschinelle Arbeitsleistungen in Organisationseinheiten wie zum Beispiel Speicherinfrastruktur und Softwaresysteme erfasst werden.13)Vgl. Schwickert / Müller / Bodenbender u. a. 2011: 38–40; Scheer 2002: 36; 51.
Für die Anwendung des ARIS-Konzepts auf den FDM-Referenzprozess werden nun FDM-Rollen, die für die entsprechenden FDM-Funktionen verantwortlich sind, benannt und diese in einem Organigramm zueinander in Beziehung gesetzt. Wer in einer konkreten Forschungseinrichtung welche FDM-Rolle in welchem Kontext übernimmt, ist abhängig von der Kompetenzverteilung in der jeweiligen Forschungseinrichtung.14)Siehe hierzu das Kapitel „FDM-Rollen und ihre Kompetenzbereiche“. Das Organigramm des FDM-Rollenmodells in Abb. 10 steigt mit der Rolle der strategischen Steuerung des gesamten FDM-Prozesses ein. Die strategische Steuerung dürfte in der Regel die Leitung der Forschungseinrichtung verantworten. Ihr obliegt es, die zentralen Verantwortlichkeiten für die Erfüllung der FDM-Funktionen festzulegen und die dafür notwendigen Kompetenzen (Personal- und Sachressourcen) bereitzustellen bzw. zu gewähren. Es geht hier insbesondere um das „vorausschauende und steuerungsorientierte Handeln der Organisation im Hinblick auf FDM.“15)Hartmann / Jacob / Weiß 2019: 11.
Auf der zweiten Ebene befinden sich die Forschenden und die FDM-Steuerungseinheit. Weil es beim FDM in erster Linie um eine adäquate Unterstützung des Forschungsprozesses geht, sind die Anforderungen der Forschenden der Maßstab bei der Gestaltung der FDM-Infrastrukturen und ‑Services. Auf der gleichen Ebene ist die FDM-Steuerungseinheit angesiedelt, die für das Anforderungsmanagement, die Evaluation des FDM-Prozesses und der FDM‑Services sowie deren Steuerung verantwortlich ist und dabei in engem Kontakt zu den Forschenden steht.
Auf der dritten und letzten Ebene sind diejenigen FDM-Rollen angesiedelt, die für die Umsetzung der einzelnen FDM-Teilprozesse in Form von Bereitstellung der FDM-Services- und ‑Infrastrukturen verantwortlich sind. Hier wurden in Abhängigkeit zu den zuvor definierten FDM-Teilprozessen und den dafür notwendigen Kompetenzprofilen16)Siehe hierzu das Kapitel „FDM-Rollen und ihre Kompetenzbereiche“, in dem die für den jeweiligen Teilprozess und die zugehörige FDM-Rolle die dafür notwendigen Kompetenzen beschrieben sind. folgende FDM-Rollen definiert:17)Die hier verwendete Reihenfolge macht keine Aussage über die Wertigkeit der jeweiligen FDM-Rolle. Mehrere sinnvolle Reihungen sind denkbar.
- Datenkuration für den adäquaten Umgang mit digitalen Daten hinsichtlich Sicherung, Aufbereitung, Weiterverarbeitung und Dokumentation,
- Forschungsmanagement für die Unterstützung von Forschungs- und Drittmittelprojekten, Forschungs- und Wissenstransfer sowie des wissenschaftlichen Nachwuchses,
- Rechtsberatung für die rechtliche Einordnung und Bewertung von Leitlinien, Gesetzen (z. B. Urheber- und Persönlichkeitsrechten und Nutzungsbedingungen, Allgemeine Geschäftsbedingungen, Service Level Agreements, Lizenzen von Infrastrukturen und Software,
- Methodenberatung für die Unterstützung bei der Methodenauswahl und deren Umsetzung im Forschungsprozess,
- Publikationsdienst für die Publikation von Forschungsdaten,
und der
- Archivierungsdienst für die Unterstützung der Archivierung von Forschungsdaten.
Darüber hinaus gibt es drei weitere FDM-Rollen auf der dritten Ebene, die in enger Beziehung zu den anderen FDM-Rollen dieser Ebene stehen (können) und effektiv mit ihnen zusammenwirken müssen. Dies ist zum einen das
- Vertragsmanagement für die Unterstützung von Vertragsabschlüssen. Es kann bis auf das Forschungsmanagement (das immer hausintern sein sollte) in diversen Kombinationen mit allen anderen FDM-Rollen relevant werden. Z. B. für den Fall, dass der entsprechende FDM-Service nicht im eigenen Haus erbracht wird und ein externes Dienstleistungsunternehmen beauftragt wird. Hier sollte es ebenfalls eine enge Kooperation mit der Rechtsberatung geben, da diese ggf. bereits die Prüfung der rechtlichen Auswirkungen auf das Forschungsvorhaben und seine Ergebnisse vorgenommen hat.
Eng mit dem Vertragsmanagement verbunden ist zum anderen das
- Finanzmanagement für die Bereitstellung und Verwaltung der finanziellen Ressourcen. Hier werden die notwendigen finanziellen Mittel gemäß den haushaltsrechtlichen Vorgaben sowie der Freigabe durch die strategische Steuerung verwaltet und für die jeweiligen FDM-Serviceerbringer bereitgestellt.
Schlussendlich und ebenfalls mit nahezu allen anderen FDM-Rollen in Verbindung zu sehen ist der
- Soft- und Hardware-Dienst zur Bereitstellung der jeweils benötigten technischen Infrastruktur.
Die FDM-Rollen strategische Steuerung, FDM-Steuerungseinheit, Forschungsmanagement, Vertrags- und Finanzmanagement sollten an einer Forschungseinrichtung möglichst nur in einer Organisationseinheit vorzufinden sein, da sie von zentraler Bedeutung sind. Alle anderen FDM-Rollen können aufgrund ihrer fach- oder datenspezifischen Ausrichtung in unterschiedlichen Organisationseinheiten mehrfach an einer Einrichtung vorkommen, weil sie einen konkreten FDM-Service verantworten. So ist bspw. die Bereitstellung einer Literaturverwaltungssoftware direkt beim Rechenzentrum angesiedelt, weil es sich hier um einen generischen Service für alle Forschenden handelt, aber für die Bereitstellung eines disziplin- oder datenspezifischen Softwareprodukts ist der entsprechende Fachbereich verantwortlich, der für die Anwendung über die entsprechenden Kompetenzen verfügt.18)Wie diese konkrete Ausgestaltung erfolgt, wird im Abschnitt „IST– / SOLL-Abgleich für das FDM-Serviceportfolio“ erläutert.
1. Steuerungssicht des FDM-Referenzprozesses
Die bisherigen Darstellungen der Funktionssicht und der Organisationssicht zielten vornehmlich darauf ab, die Komplexität der Modellierung eines optimierten FDM-Prozesses zu reduzieren, indem nur eine Perspektive des Prozesses in den Blick genommen wird. Für die Implementierung der notwendigen FDM-Infrastrukturen und ‑Services bedarf es jedoch eines grundlegenden Verständnisses über das Zusammenspiel von Funktion und Organisation. Die Verbindung einzelner Sichten erfolgt bei der ARIS-Prozessmodellierung über die Steuerungssicht (auch Prozesssicht genannt). Wurden in der Organisations- und Funktionssicht jeweils statische Zustände beschrieben, so erfolgt in der Steuerungssicht die dynamische Betrachtung des FDM-Prozesses als vollständiger Geschäftsprozess. Dabei werden die strukturellen Zusammenhänge der Einzelsichten zusammengeführt und ihr dynamisches Zusammenwirken im Prozessfluss beschrieben. Diese Perspektive zeichnet sich durch die Modellierung als ereignisgesteuerte Prozesskette (EPK) aus, mit der der Informationsfluss festgelegt wird.19)Vgl. Scheer 2002: 36–37.
Für den FDM-Referenzprozess wurde eine EPK (siehe Abb. 11) entwickelt, die einen idealtypischen, generischen FDM-Prozess beschreibt, der wiederum den entsprechenden FDM-Funktionen ihre FDM-Rollen zuweist. Darüber wird deutlich, welche FDM-Rollen bei welchen Funktionen zusammenarbeiten müssen. Des Weiteren soll darüber exemplarisch gezeigt werden, wie man die ARIS-Methode anwendet, weil diese sich gut dafür eignet, sich Klarheit über konkrete Prozessabläufe zu verschaffen und Verantwortlichkeiten zu definieren. Daher ist sie ein nützliches Instrument für die Implementierung von FDM-Services.
In Abb. 12 ist dargestellt, aus welchen Elementen eine EPK zusammengestellt wird. Sie setzt sich zusammen aus Ereignissen (orangefarbenes Sechseck) und darauffolgende Funktionen / Aktivitäten (grünes Rechteck). Jeder Aktivität wird eine ausführende Organisationseinheit (gelbes Rechteck) zugeordnet. Da wir hier auf einer abstrakten Ebene einen idealisierten Prozess beschreiben, ist es notwendig, dass bei einigen Aktivitäten mehr als eine ausführende Organisationseinheit angegeben wird. In einem konkreten Anwendungsfall muss ein Prozess soweit zergliedert werden, dass es immer nur eine verantwortliche Organisationseinheit für eine Aktivität gibt. Die nachfolgenden Aktivitäten werden über UND- (graue Raute mit Pluszeichen) und ODER- (graue Raute mit X) Operatoren miteinander in Beziehung gesetzt. Über diese Operatoren wird angegeben, ob es parallel ablaufende Aktivitäten gibt oder ob je nach vorhergehendem Ereignis nur eine bestimmte Aktivität folgen kann.
Durch die Darstellung des FDM-Prozesses und später der konkreten FDM‑Services als EPK wird die Transparenz erhöht, weil Verantwortlichkeiten eindeutig zugewiesen und der Ablauf präzise beschrieben wird. Auf diese Weise sind alle Beteiligten stets darüber informiert, welche Rolle sie im Prozess einnehmen und welche Aufgaben damit verbunden sind. Dadurch sollte es gelingen, effizientere Strukturen zu schaffen und Mehrarbeit zu verhindern.
Weil die FDM-Rolle Forschende stets an allen Aktivitäten im FDM-Prozess beteiligt ist, wird sie jeweils nur explizit bei den FDM-Funktionen der 2. Prozessebene (Planung, Durchführung, Publikation und Archivierung) in der EPK angegeben. Die FDM-Rollen strategische Steuerung und FDM-Steuerung finden sich nicht in der EPK wieder, weil sie übergeordnete Steuerungsfunktionen wahrnehmen, die nicht an der direkten Umsetzung des FDM-Prozesses beteiligt sind. Auf die Darstellung der 4. Prozessebene, wie sie in der Funktionssicht beschrieben ist, wird in der EPK-Modellierung verzichtet, um es übersichtlicher zu halten. Außerdem ist deren Ausgestaltung hinsichtlich der Reihung und der benötigten Kompetenzen projektspezifisch,20)Siehe hierzu den Abschnitt „FDM-Rollen und ihre Kompetenzbereiche“ weshalb sie für das hier angestrebte Abstraktionsniveau nicht zielführend berücksichtigt werden kann. Aufgrund der Komplexität des FDM-Prozesses und seiner projektabhängigen Ausgestaltung ist es somit notwendig, auf der 3. Prozessebene in Abhängigkeit von der FDM-Funktion mehr als eine FDM-Rolle anzugeben, die an deren Erfüllung beteiligt ist. Um dennoch deutlich zu machen, in welchem Aktivitätsgrad21)Siehe hierzu weiter unten in diesem Abschnitt die Ausführungen zu den Beziehungstypen. eine FDM-Rolle an einer FDM-Funktion beteiligt ist, sind die strukturellen Beziehungen zwischen den FDM-Funktionen und den FDM-Rollen in der FDM-Steuerungsmatrix (siehe Abb. 13) konkretisiert. In ihr wird ebenfalls auf die FDM-Rolle strategische Steuerung verzichtet, da sie nicht für eine bestimmte FDM-Funktion verantwortlich ist, sondern den gesamten FDM-Prozess orchestriert. Sie trägt die Gesamtverantwortung für die Bereitstellung der notwendigen FDM-Services. Innerhalb dieser Matrix werden klare Verantwortungs- und Zuständigkeitsbereiche definiert. Zu diesem Zweck werden vier Beziehungstypen zwischen Funktionen und Organisationseinheiten identifiziert. Der Beziehungstyp „v“ beschreibt, welche FDM-Rolle für die Bereitstellung von Unterstützungsmaßnahmen zur Umsetzung einer FDM-Funktion verantwortlich ist. Diese FDM-Rolle ist gegenüber den anderen an der FDM-Funktion beteiligten Rollen weisungsbefugt. Letztere sind bei der Bereitstellung des Dienstes aktiv unterstützend involviert und mit dem Beziehungstyp „b“ ausgewiesen. Diese Exekutiveinheiten sind an der Bereitstellung und Durchführung der jeweiligen Unterstützungsmaßnahmen beteiligt, sind jedoch nicht verantwortlich für die Initiierung und Steuerung der entsprechenden Ereignisprozessketten. Die Überwachung ihrer Arbeit erfolgt über die verantwortliche FDM-Rolle. Diese Form der Supervision ist sinnvoll, um die Effektivität und damit die Genauigkeit und Vollständigkeit der Durchführung der einzelnen FDM-Funktionen zu gewährleisten. Der Beziehungstyp „e“ zeigt an, dass eine andere FDM-Rolle in die FDM-Funktion mit einbezogen werden kann bzw. unter bestimmten Bedingungen eingebunden ist. Der vierte Beziehungstyp „x“ steht dafür, dass eine FDM-Rolle die für sie relevanten Ergebnisse, die aus dem Ablauf einer EPK hervorgegangen sind, erhält.
Auch in dieser Darstellung wird deutlich, dass den FDM-Rollen Forschende, FDM-Steuerungseinheit und Finanzmanagement eine besondere Stellung zukommt. So sind die Forschenden stets an allen FDM-Funktionen aktiv beteiligt und die Durchführung des FDM bleibt in ihrem Verantwortungsbereich.
Das Finanzmanagement ist bei allen FDM-Funktionen zu berücksichtigen; auch wenn dies oft in Vergessenheit gerät, so ist die Bereitstellung der notwendigen Personal- und Sachressourcen für jede FDM-Funktion und die mit ihr assoziierten FDM-Services stets mitzudenken. Insbesondere ist das Finanzmanagement einzubeziehen, wenn kostenverursachende externe Dienstleistungsunternehmen beauftragt werden sollen.
Die FDM-Steuerungseinheit ist — wie in Abb. 13 dargestellt — die zentrale Qualitäts- und Anforderungsmanagementinstanz und erhält über definierte Informationskanäle die für sie relevanten Ergebnisse aus den EPK und ist insofern in alle FDM-Funktionen einbezogen, als sie über veränderte Anforderungen, die im Rahmen der Erbringung eines FDM-Services gestellt werden, informiert wird und ggf. die Weiterentwicklung des entsprechenden FDM-Services koordiniert. In diesem Zusammenhang ist sie bei Prozessstörungen auch für die Deeskalation verantwortlich. Da sie über alle FDM-Prozesse informiert ist, wäre es sinnvoll, an diesem Punkt eine zentrale FDM-Kontaktstelle vorzusehen, die die Forschenden als Single-Point-of-Contact mit den relevanten Informationen (allg. FDM-Schulungen, ‑Workshops, ‑Informationsmaterialien / ‑Plattform etc.) versorgt und sie im Sinne eines First Level Supports je nach Anliegen direkt an den für sie passenden FDM-Service weiterleitet. Durch diese Zentralisierung der Informationsbereitstellung wird der Forderung vieler Forschenden nach einem FDM-Serviceangebot aus einer Hand entsprochen.22)Vgl. Blask / Förster 2018: 12–15. Durch die beschriebene Feedback-Schleife ist es dieser Einheit so leichter möglich, das bestehende Informationsangebot fortlaufend zu erweitern oder anzupassen. Durch den so initiierten Lernprozess können wiederum EPK einzelner FDM-Services verkürzt werden, weil auf Basis der erweiterten Informationsgrundlage ggf. die Forschenden selbst die notwendigen Kompetenzen für die Umsetzung der FDM-Funktion erworben haben. Durch diesen selbstlernenden Charakter im FDM-Prozess können Schnittstellen zunehmend reduziert werden und führen somit zu einer weiteren Steigerung der Effektivität und Effizienz des FDM-Prozesses.
Die FDM-Rolle Methodenberatung ist für die projektspezifischen Aspekte des FDM verantwortlich, weshalb sie für die Umsetzung der FDM-Funktionen Methodenauswahl, Datensammlung, ‑evaluation und ‑anwendung sowie Auswahl von Publikationsorganen und Datenarchiven verantwortlich ist. Dies sind diejenigen FDM-Funktionen, die direkt mit der disziplin‑, methoden- oder fachspezifischen Ausrichtung eines Forschungsprojektes assoziiert sind und die somit fachspezifische Kompetenzen erfordern. Bei der FDM-Funktion Datenmanagement kann es fallbedingt sinnvoll sein, sie einzubeziehen.
Das Forschungsmanagement ist v. a. in der Planungsphase für die Erfüllung der FDM-Funktionen zur Auswahl eines Förderrahmens, der zutreffenden FDM-Leitlinien und zur Planung der FDM-Ressourcen verantwortlich. Das Forschungsmanagement kann auch in die Auswahl der Publikationsorgane oder der Datenarchive einbezogen werden, insbesondere wenn es um die Erfüllung von Fördererauflagen geht.
Die Rechtsberatung ist in der Planungsphase für die Bereitstellung von Informationen zur Feststellung der rechtlichen Rahmenbedingungen verantwortlich, sodass es den Forschenden möglich wird, die daraus folgenden notwendigen FDM-Aktivitäten zu planen. Im Rahmen der FDM-Funktion Datenmanagement kann es zu Rückversicherungszwecken sinnvoll sein, die Rechtsberatung einzubeziehen.
Die Datenkuration ist verantwortlich für das Datenmanagement und in Verbindung damit auch für die Datenaufbereitung zur Publikation und Archivierung.
Der Soft- und Hardwaredienst ist für keine FDM-Funktion direkt verantwortlich, aber an all jenen beteiligt, bei denen Hard- und Softwarekomponenten für die Umsetzung notwendig sind, weshalb er an den FDM-Funktionen Datensammlung, ‑management, ‑evaluation, ‑aufbereitung und ‑übergabe aktiv beteiligt ist.
Für die Publikation und Archivierung der Forschungsdaten ist jeweils der Publikations- bzw. Archivierungsdienst zuständig. Er verantwortet die Datenübernahme in seine Infrastruktur und ist für die Aufbewahrung und ggf. Bereitstellung der Daten verantwortlich.
Das Vertragsmanagement ist an der Datenübergabe zur Publikation und Archivierung beteiligt, um die vertraglichen Verpflichtungen, die bei der Übergabe eingegangen werden, zu prüfen und ggf. Verträge zu schließen. Weil dies eventuell bereits bei der FDM-Ressourcenplanung berücksichtigt werden muss, kann das Vertragsmanagement in diese FDM-Funktion einbezogen sein.
Anmerkungen
↑1 | Operationalisierung meint, dass beim Einsatz digitaler Infrastrukturen zur Umsetzung eines methodischen Verfahrens die Analyseschritte in logisch aufeinanderfolgende Arbeitsschritte zerlegt werden müssen, um sie im Prinzip maschinenlesbar zu machen. Vgl. Lemaire 2018: 242–244. |
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↑2 | Bei Schwickert / Müller / Bodenbender u. a. 2011: 17 wird in „Primäre Aktivitäten“ und „Sekundäre Aktivitäten“ unterteilt, wobei die primären „der eigentlichen Herstellung von Produkten“ dienen und sekundäre „eine unterstützende Funktion zur Leistungserstellung“ haben. Eine ähnliche Aufteilung nimmt auch Porter 2014: 67 & Abb. 2–2 vor. |
↑3 | „Data literacy is the ability to collect, manage, evaluate, and apply data, in a critical manner.“ Ridsdale / Rothwell / Smit u. a. 2015: 3. |
↑4 | Vgl. Ridsdale / Rothwell u. a. 2015: 3. |
↑5 | Heidrich / Bauer / Krupka 2018. |
↑6 | Vgl. Heidrich / Bauer / Krupka 2018: 15. |
↑7 | Vgl. Heidrich / Bauer / Krupka 2018: 16. |
↑8 | Vgl. Heidrich / Bauer / Krupka 2018: 16–17. |
↑9 | Vgl. Heidrich / Bauer / Krupka 2018: 17. |
↑10 | Siehe Abb. 5 & Abb. 6. |
↑11 | Da in der online-Publikation die Darstellung größerer Abbildungen sind begrenzt sind, werden hier die Abbildungen 7–9 aus der Publikation in einer dargestellt |
↑12 | Scheer 1998: 52. |
↑13 | Vgl. Schwickert / Müller / Bodenbender u. a. 2011: 38–40; Scheer 2002: 36; 51. |
↑14 | Siehe hierzu das Kapitel „FDM-Rollen und ihre Kompetenzbereiche“. |
↑15 | Hartmann / Jacob / Weiß 2019: 11. |
↑16 | Siehe hierzu das Kapitel „FDM-Rollen und ihre Kompetenzbereiche“, in dem die für den jeweiligen Teilprozess und die zugehörige FDM-Rolle die dafür notwendigen Kompetenzen beschrieben sind. |
↑17 | Die hier verwendete Reihenfolge macht keine Aussage über die Wertigkeit der jeweiligen FDM-Rolle. Mehrere sinnvolle Reihungen sind denkbar. |
↑18 | Wie diese konkrete Ausgestaltung erfolgt, wird im Abschnitt „IST– / SOLL-Abgleich für das FDM-Serviceportfolio“ erläutert. |
↑19 | Vgl. Scheer 2002: 36–37. |
↑20 | Siehe hierzu den Abschnitt „FDM-Rollen und ihre Kompetenzbereiche“ |
↑21 | Siehe hierzu weiter unten in diesem Abschnitt die Ausführungen zu den Beziehungstypen. |
↑22 | Vgl. Blask / Förster 2018: 12–15. |